Das Wort Bulimie (Bulimia nervosa) kommt aus dem Griechischen und bedeutet so viel wie „Ochsenhunger (bous = Ochse, limos = Hunger). Im allgemeinen und psychologischen Sprachgebrauch wird Bulimie auch mit Ess-Brechsucht gleichgesetzt und bezeichnet eine Essstörung, die durch immer wiederkehrende Heißhungerattacken, in denen die Betroffenen riesige Mengen an Nahrungsmitteln zu sich nehmen, gekennzeichnet ist. Dabei ist der Begriff Bulimie noch relativ jung und wurde erst vor kurzer Zeit psychiatrisch anerkannt. Geprägt wurde er im Jahr 1979 vom britischen Psychiater G.F.M. Russell, mittlerweile unterscheidet man zwei unterschiedliche Arten von Bulimieerkrankten:
- - den so genannten Purging-Typ, wobei die Betroffenen hier nach den Essattacken erbrechen oder Abführmittel einnehmen und
- - den Nicht-Purging-Typ, bei dem sich die Essattacken ohne Erbrechen vollziehen.
Die Gründe für eine Bulimieerkrankung sind meistens traumatische Erfahrungen wie beispielsweise Missbrauch, Vernachlässigung oder Verlustängste, sehr oft leiden die Erkrankten auch unter einem gestörten Selbstwertgefühl, das sie durch niedriges Körpergewicht, Leistung und gutes Aussehen kompensieren wollen. Bulimie tritt zu 95 Prozent bei Frauen auf, wobei das Alter für die Ersterkrankung zwischen 20 und 30 Jahren liegt. In dieser Altersgruppe sind in etwa zwei bis vier Prozent der Frauen von Bulimia nervosa betroffen, da viele aber versuchen, ihre Erkrankung geheim zu halten, muss eine hohe Dunkelziffer angenommen werden. Nur in etwa fünf bis zehn Prozent der Betroffenen sind Männer.
Symptome der Bulimia nervosa
Inhaltsverzeichnis zum Thema Bulimie
Bulimie-Erkrankte sind meistens normalgewichtig, können aber auch an Unter- oder Übergewicht leiden. Meistens beschäftigen sich die Betroffenen übermäßig viel mit dem eigenen Körpergewicht, sie leiden unter einer verzerrten Körperwahrnehmung (Body-Image-Störung)und betreiben sehr extreme Methoden, um ihr Gewicht zu kontrollieren, denn ihre Figur trägt wesentlich zu ihrem Selbstwertgefühl bei. Das typische Symptom sind wiederholte Heißhungerattacken, nach denen sie sich zwingen, die Nahrung wieder zu erbrechen, bevor sie verdaut wird. Die Heißhungeranfälle laufen dabei nach einem bestimmten Ritual ab: Die Nahrungsmittel werden nur wenig gekaut, das Geschmacksempfinden ist nebensächlich. Da viele Bulimikerinnen kein Sättigungsgefühl haben, beenden sie ihre Anfälle erst auf Grund von Bauchschmerzen oder Erschöpfung. Oftmals liegt zwischen den Ess-Brech-Attacken eine Phase des extremen Diätierens, die aber auf Dauer nicht durchgehalten wird, worauf wieder Essanfälle folgen. Danach beginnen die Erkrankten wieder mit der Nahrungsreduktion, bis die nächste Heißhungerattacke folgt. Neben dem selbstinduziertem Erbrechen, das den Patientinnen die Angst vor einer Gewichtzunahme nimmt, greifen viele Bulimiker aber auch zu anderen kompensatorischen Maßnahmen wie dem Einsatz von Abführmitteln (Laxanzien), Entwässerungsmittel (Diuretika) oder Appetitzüglern. Die Essattacken können dabei unterschiedlich oft auftreten. So haben manche Erkrankte mehrmals pro Tag Ess-Brech-Attacken, bei anderen wiederum liegen zwischen zwei Essanfällen mehrere Wochen. In weiterer Folge wird der Heißhunger aber auch durch das Energiedefizit, das durch das selbstinduzierte Erbrechen entsteht, weiter verstärkt. Während eines Heißhungeranfalls haben die Erkrankten das Gefühl, als würden sie die Kontrolle über sich verlieren und verschlingen dann oft bis zu 10.000 Kilokalorien, wobei die Bandbreite an Gefühlen während eines Essanfalls dann enorm ist und von höchster Befriedigung bis hin zu tiefster Niedergeschlagenheit reichen kann. Oftmals teilen Bulimiker ihre Nahrungsmittel in erlaubte und unerlaubte ein, wobei die erlaubten Nahrungsmittel in geringer Menge gegessen, die unerlaubten erst während eines bulimischen Anfalls verzehrt werden. Dabei finden die Attacken meist heimlich statt und werden von der Familie oder dem Partner gar nicht oder oft erst sehr spät bemerkt. Die Betroffenen führen quasi ein Doppelleben und können ihre Krankheit zumeist perfekt verheimlichen. („Die heimliche Sucht, unheimlich zu essen.)Im Beisein anderer Personen wird das Essen am liebsten vermieden, was schließlich zum sozialen Rückzug führt, da das gesellschaftliche Leben auch immer wieder mit Essen verbunden ist. Nach einer Heißhungerattacke fühlen sich die Betroffenen schlecht und schämen sich bzw. leiden unter dem vorangegangenen Kontrollverlust. Da Bulimiker sehr viel Geld für die oftmals riesigen Mengen an Nahrungsmitteln aufwenden müssen, kann es oft zu Verschuldungen oder Ladendiebstählen kommen.
Ungefähr die Hälfte der Erkrankten leidet gleichzeitig auch an einer depressiven Symptomatik. Dabei stellt sich die Frage, ob die Depression direkt zum Störungsbild der Bulimie gehört oder eine Begleiterkrankung ist. Außerdem besteht ein erhöhtes Risiko eine Suchterkrankung wie zum Beispiel eine Alkoholabhängigkeit oder gar eine Borderline-Persönlichkeitsstörung zu entwickeln, darüber hinaus findet sich bei Bulimia nervosa eine hohe Komorbidität an Angststörungen, wie zum Beispiel die soziale Phobie. Bei vielen Patientinnen lässt sich auch eine vorangegangene Episode einer Anorexia nervosa (Magersucht) nachweisen, die entweder voll ausgeprägt oder eine verdeckte Form der Magersucht mit mäßigem Gewichtsverlust war. Durch das Erbrechen und den Gebrauch von Abführmitteln oder harntreibenden Medikamenten kommt es sehr oft zu einem Mangel an lebensnotwendigen Salzen wie beispielsweise Magnesium, Kalium oder Natrium bzw. zu ph-Wert-Veränderungen im Blut. Dieser Mangel führt zu schweren Herzrhythmusstörungen und zu Verkrampfungen der Muskulatur. Außerdem schädigen chronische Elektrolytstörungen die Niere, so dass es zu Beeinträchtigungen der Nierenfunktion kommen kann. Ein Kaliummangel, der über viele Jahre besteht, kann die Funktion der Niere dauerhaft schädigen und es kommt zu einer so genannten Niereninsuffizienz. Durch den Mangel an Vitaminen und Mineralstoffen trocknet auch die Haut sehr häufig aus und die Haare beginnen auszufallen. Ein besonders schwerwiegendes Problem stellt der Vitamin-D-Mangel dar, der zu gravierenden Knochenstoffwechselstörungen führen kann. Dadurch kommt es zu einer so genannten Osteomalazie (Knochenerweichung) und zu Osteoporose (Verminderung der Grundsubstanz der Knochen). Auch das selbstinduzierte Erbrechen hat seine Folgen, denn auf Grund der zurückfließenden Magensäure kann es zur Refluxkrankheit und zu Entzündungen der Speiseröhre, zu Zahnschmelzabbau und Karies kommen. Der Missbrauch von Abführmitteln ruft darüber hinaus auch Darmträgheit und Verdauungsstörungen hervor. Typisch sind auch Schwielen an den Händen, die durch das Einführen der Finger in den Hals entstehen. Durch das Erbrechen schwellen auch die Ohrspeicheldrüsen sehr häufig an, so dass viele Bulimiker „dicke Backen aufweisen.